Strukturwandel in Brandenburg
Wie Mittelständler an EU-Fördergeld kommen
Die EU hat Brandenburg 786 Millionen Euro avisiert, um Investitionen in neue Wirtschaftsstrukturen zu unterstützen. Von dem Geld kann beim Strukturwandel erstmals der Mittelstand direkt profitieren. Müssen Firmen und Kommunen dabei um Strukturhilfen rangeln?
Die Zeit läuft den Lausitzern und den Uckermärkern davon. Unternehmen in diesen Regionen sollen vom „Green Deal“ der Europäischen Union profitieren. Allein: Sie kommen nicht zum Zuge, weil noch nicht alle Details ausverhandelt sind zwischen Potsdam, Berlin und Brüssel für die EU-Förderung zum klimaneutralen Umbau ihrer Wirtschaft. Dabei muss ein Großteil des Geldes aus dem Fonds für den gerechten Übergang (Just Transition Fund, JTF) schon bis Ende des Jahres 2023 in bestätigten Förderbescheiden gebunden sein.
Das Brandenburger Wirtschaftsministerium von Jörg Steinbach (SPD) feilt bis heute mit Brüssel an den Formalien und auch noch an den Richtlinien für die Verteilung des Geldes.
Wann eine JTF-Richtlinie vorliegt
„Die Entwürfe zum Just Transition Plan wurden im Dezember 2021 nach Brüssel gesandt und werden aktuell informell zwischen der Kommission und dem Land abgestimmt“, heißt es aus dem Potsdamer Wirtschaftsministerium. Die genauen Förderbedingungen würden im ersten Halbjahr 2022 erarbeitet, so dass die JTF-Mittel voraussichtlich ab dem Spätsommer dieses Jahres bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) beantragt werden könnten.
Das JTF-Geld ist deswegen in der Brandenburger – und übrigens auch der sächsischen – Wirtschaft so heiß begehrt, weil die Mittel zur direkten Förderung von Zukunftsinvestitionen in privatwirtschaftlichen Unternehmen beim Strukturwandel eingesetzt werden können.
Das gilt für die Strukturstärkungs-Milliarden des Bundes in den Kohleregionen nicht. Darauf Zugriff haben grundsätzlich nur Städte, Gemeinden, Landkreise und ihre kommunalen Unternehmen.
Komplizierte Rechenoperationen um die JTF-Millionen
Wer die ins Auge gefasste Verteilung des des JTF-Geldes in Brandenburg genau verstehen will, muss tief eintauchen in die Geheimnisse der fiskalischen Arithmetik.
Von den aus Brüssel angekündigten 786 Millionen Euro, darf das Land nämlich nur rund 118 Millionen Euro behalten. Diese Summe kommt tatsächlich zusätzlich zum „Kohlegeld“ der Bundesregierung nach Brandenburg. Das sind aber nur 15 Prozent der JTF-Summe. Die restlichen 85 Prozent des EU-JTF-Geldes bekommt der Bund.
Die höchst umstrittene Begründung: Weil die Bundesregierung den Strukturwandel in den Kohlerevieren in Deutschland bereits mit Milliardensummen fördert, sollen die betroffenen Länder das EU-Geld nicht auch noch obendrauf bekommen. Eigentlich wollte der Bund die gesamte Summe behalten. In zähen Verhandlungen hatten sich die Bundesländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein Westfalen wenigstens 15 Prozent des EU-Geldes gesichert.
Wirtschaft rechnet mit kompletten JTF-Millionen
Und jetzt wird es kompliziert: Obwohl Brandenburg nur 118 Millionen Euro zusätzliche Mittel aus Brüssel bekommt, sollen in den kommenden Jahren aber trotzdem die zugesagten 786 Millionen Euro zur direkten Unternehmensförderung eingesetzt werden können. „Davon gehen wir fest aus“, sagt Jens Krause, der Generalmanager der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus. Und auch ein Sprecher im sächsischen Wirtschaftsministerium hatte bestätigt: „Das ist unsere Rechtsauffassung dazu.“
Für Brandenburg würde das bedeuten, dass womöglich mehr als 600 Millionen Euro aus den kommunalen Strukturstärkungsmitteln für die Unternehmensförderung eingesetzt und kommunalen Projekten auf diese Weise vorenthalten werden.
Dass es zu diesem Thema bisher noch keinen lauten Reaktionen aus der kommunalen Familie gegeben hat, liegt vielleicht auch daran, dass die bisher denkbare und einigermaßen komplizierte Rechen-Akrobatik schwer durchschaubar ist.
Die Brandenburger Landtagsabgeordnete der Linken, Anke Schwarzenberg aus Forst (Spree-Neiße), hat sich in das komplexe Thema eingearbeitet und der Landesregierung eine entsprechende Anfrage gestellt. Die Antworten auf ihre Fragen stehen noch aus.
Das Wirtschaftsministerium in Potsdam bemüht sich, den Ball in dieser Detailfrage möglichst flach zu halten. „Grundsätzlich werden nur JTF-Mittel verrechnet, die auch in Anspruch genommen wurden.“ Faktisch stünde mit dem JTF Brandenburg ja insgesamt erst einmal mehr Geld und vor allem mehr Fördermöglichkeiten zur Verfügung, heißt es auf Anfrage aus Potsdam.
Vertreter der Wirtschaftsverbände argumentieren, dass nachhaltiger Strukturwandel nur funktionieren kann, wenn auch Investitionen in eine klimaneutrale Wirtschaft gefördert und damit Arbeitsplätze in den Revieren geschaffen werden können.
Ob es letztlich tatsächlich Streit ums Geld zwischen Wirtschaftsverbänden und Kommunen geben wird, lässt sich nicht absehen. Schließlich werden auch erst einmal genügend gute Ideen und Projekte gebraucht – egal ob in Kommunen oder Unternehmen – für die vielen Strukturförder-Millionen.
Beratung für Unternehmen ab sofort
In der Lausitz verlieren die Wirtschaftsverbände aber inzwischen die Geduld, wenn es um die JTF-Millionen aus Brüssel geht. Schließlich muss ein Großteil des EU-JTF-Geldes bis Ende des Jahres 2023 schon in Förderbescheiden gebunden sein. Die IHK Cottbus will daher nicht weiter bis zum Sommer auf eine JTF-Richtlinie warten.
„Interessierte Unternehmen aller Kategorien – vom Start-Up bis zum Konzern – und aller Branchen sollen ab sofort die Möglichkeit haben, sich über die grundlegenden Möglichkeiten und Bedingungen der JTF-Förderung zu informieren“, sagt Generalmanager Jens Krause. Er ist Teil eines dreiköpfigen Teams, das eine erste Anlaufstelle sein soll für das JTF-Geld in der Lausitz.
JTF-Ansprechpartner bei der IHK Cottbus
Jens Krause, Tel: (0355) 356 1100, Mail:
Dan Hoffmann, Tel.: (0355) 365 1551 Mail:
Bernd Hahn, Tel: (0355) 356 3102 Mail:
Um den Firmen Orientierung zu geben, hat das Team auf der IHK-Internetseite bereits einen umfangreichen Katalog von Antworten rund um die JTF-Förderung zusammengestellt.
Wer vom JTF-Geld profitieren kann
Die Förderung richte sich vor allem an klein- und mittelständische Betriebe (KMU) aller Branchen, die vom Strukturwandel direkt und indirekt betroffen sind. Ihre Vorhaben und Investitionen müssten zum Klimaschutz beitragen. Für reine Ersatzinvestitionen dienten JTF-Mittel nicht. Es müsse ein Modernisierungseffekt erreicht werden in Richtung Klimaschutz und Klimaneutralität.
Wie viel Zeit haben Unternehmen für die Umsetzung
„Ab der Freigabe durch einen Fördermittelbescheid haben Firmen dann drei Jahre Zeit, ihre Investition zu realisieren“, sagt IHK-Manager Jens Krause. „Gut vorbereitete förderwürdige Projekte und eine zügige Beantragung sind entscheidend, damit das zur Verfügung stehende Geld dann auch schnell zu den Unternehmen kommt.“ Und Krause gibt Firmen, die mit JTF-Mitteln investieren wollen, nicht nur den Tipp, sich schon jetzt direkt an das Beraterteam der IHK-Cottbus zu wenden. Er sagt auch: „Interessiert Firmen und Gründer sollten sich schon ein ,Konto‘ im Kundenportal der Brandenburger Landesbank (ILB) einrichten. Das hilft später mächtig im Förderantragsverfahren.“
Quelle: Lausitzer Rundschau
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